Neuralrohrdefekte und Spina bifida

VonStephen J. Falchek, MD, Nemours/Alfred I. duPont Hospital for Children
Überprüft/überarbeitet Juli 2023
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Kurzinformationen

Neuralrohrdefekte sind bestimmte Geburtsfehler des Gehirns, der Wirbelsäule und/oder des Rückenmarks.

  • Neuralrohrdefekte können zu Nervenschäden, Lernbehinderungen, Lähmungen und zum Tod führen.

  • Die Diagnose kann vor der Geburt mithilfe eines Bluttests, eines Fruchtwassertests oder einer Ultraschalluntersuchung gestellt werden.

  • Nach der Geburt: körperliche Untersuchung, unter Umständen mit zusätzlichen bildgebenden Untersuchungen.

  • Die Einnahme von Folat (Folsäure) durch die Mutter vor der Schwangerschaft und im ersten Trimester kann helfen, diese Defekte zu verhindern.

  • Um Neuralrohrdefekte zu schließen, ist normalerweise eine Operation erforderlich.

(Siehe auch Überblick über Geburtsfehler des Gehirns und der Wirbelsäule.)

Im Fötus bilden sich Gehirn und Rückenmark zu einem rinnenförmig zusammengefalteten Rohr aus, dem Neuralrohr. Gewebeschichten aus diesem Rohr entwickeln sich normalerweise zu Gehirn und Rückenmark und dem Gewebe, das sie bedeckt, einschließlich Teilen der Wirbelsäule und der Hirnhäute (Meningen). Manchmal entwickelt sich das Neuralrohr nicht richtig, was zu Schädigungen des Gehirns, des Rückenmarks oder der sie umgebenden Häute führen kann.

Spina bifida

Spina bifida ist ein Neuralrohrdefekt. Obwohl Spina bifida schwerwiegend sein kann, können Menschen, die daran leiden, eine lange Lebenserwartung haben.

Spina bifida entsteht, wenn sich die Neuralrinne nicht vollständig schließt und ein Spalt offen bleibt. Bei der Spina bifida schließen die Knochen der Wirbelsäule (Rückenwirbel) das Rückenmark nicht ein. Das betrifft am häufigsten wie Lendenwirbelsäule. Es können einer oder mehrere Wirbel betroffen sein.

Spina bifida occulta ist die leichteste Form der Spina bifida. In der Regel ist nur der Knochen an der Rückseite des Wirbels (einer der Knochen, aus denen das Rückgrat besteht) betroffen, nicht aber das Rückenmark und die Hirnhäute.

Dieser häufige Defekt wird als „Occulta“ bezeichnet, weil er durch eine Hautschicht verborgen (überdeckt) wird. Diese Hautschicht erscheint in der Regel normal, manchmal hat sie aber eine andere Farbe als die umliegende Haut oder es kann auch ein kleines Haarbüschel über dem Defekt vorhanden sein.

Spina bifida occulta verursacht in der Regel keine Symptome, kann aber mit anderen Geburtsfehlern oder mit Auffälligkeiten des Rückenmarks in Verbindung gebracht werden (okkulte spinale Dysraphien).

Okkulte spinale Dysraphien sind eine Form von Spina bifida, bei der das Rückenmark betroffen ist. Bei den okkulten spinalen Dysraphien können Neugeborene sichtbare Anomalien im unteren Rückenbereich aufweisen. Dazu gehören Geburtsmale, stark pigmentierte Bereiche (Hämangiom und Feuermal [Storchenbiss]), Haarbüschel, Öffnungen in der Haut (Dermalsinus) oder kleine Knötchen. Das darunter liegende Rückenmark kann einen Defekt haben, wie z. B. einen Fetttumor (Lipom ), oder der Bindegewebsstrang, an dem das Rückenmark verankert ist (Filum terminale), kann verdickt und kurz sein, wodurch das Rückenmark auseinandergezogen und nicht mehr normal im Rückenmarkkanal bewegt werden kann. Während des Wachstums des Kindes muss sich das Rückenmark frei im Rückenmarkkanal bewegen können. Unbehandelt kann dieses Problem mit dem Rückenmark zu Nervenschäden führen, die zu einem Verlust der Kontrolle über Blase und Darm, zu Schwäche der Beine und Verkrampfungen der Beinmuskeln führen, was schließlich in einer Gehbehinderung enden kann.

Spina bifida cystica ist die schwerste Form von Spina bifida. Bei der Spina bifida cystica ragt Gewebe der Hirnhäute, des Rückenmarks oder von beidem durch die Öffnung in den Wirbeln hervor. Eine dünne Hautmembran kann das Gewebe bedecken, möglicherweise liegt das Gewebe aber auch frei.

Spina bifida cystica wird in folgende Kategorien unterteilt:

  • Eine Meningozele: Nur die Hirnhäute stehen vor.

  • Eine Meningoenzephalozele: Die Hirnhäute und Gehirngewebe stehen vor.

  • Eine Meningomyelozele: Die Hirnhäute und Rückenmarksgewebe stehen vor.

  • Eine Enzephalozele: Nur Gehirngewebe stehen vor.

  • Eine Myelozele: Nur Rückenmarksgewebe stehen vor.

Eine Schädigung des Hirn- oder Rückenmarksgewebes ist viel wahrscheinlicher, wenn das Gewebe außerhalb der normalen Kontur des Rückens hervortritt, insbesondere, wenn keine normale Haut vorhanden ist, die das vorstehende Gewebe bedeckt. Außerdem können sich das Rückenmark oder die Rückenmarkshäute, wenn sie ganz freiliegen, mit Bakterien infizieren und eine Meningitis (Hirnhautentzündung) hervorrufen.

Spina bifida: Eine Fehlbildung der Wirbelsäule

Bei der Spina bifida bilden sich die Knochen der Wirbelsäule (Rückenwirbel) nicht normal aus. Spina bifida kann in unterschiedlichen Schweregraden auftreten.

Bei der okkulten spinalen Dysraphie bilden sich ein oder mehrere Rückenwirbel nicht richtig aus und das Rückenmark und die Gewebeschichten, die es umgeben (Rückenmarkshäute), können ebenfalls geschädigt sein. Es gibt verschiedene Typen mit unterschiedlichen neurologischen Schweregraden. Die Diagnose wird manchmal anhand von Symptomen im unteren Rücken gestellt, wie Haarbüschel, Grübchen oder einen pigmentierten Bereich auf der Haut über dem Defekt.

Bei der Meningozele treten die Rückenmarkshäute aus den unvollständig ausgebildeten Rückenwirbeln hervor, wodurch eine flüssigkeitsgefüllte Ausbuchtung unter der Haut entsteht. Das Rückenmark ist in seiner normalen Position.

Bei der schwersten Ausprägungsform, der Meningomyelozele, treten die Hirnhäute und das Rückenmark hervor. Der betroffene Bereich sieht roh und rot aus, das Kind ist meist stark behindert.

Andere Neuralrohrdefekte und damit verbundene Defekte

Anenzephalie ist die schlimmste Form von Neuralrohrdefekt. Bei Anenzephalie entwickeln sich keine Gehirngewebe. Diese Fehlbildung verläuft immer tödlich.

Eine Chiari-Malformation kann bei Spina bifida auftreten. Bei dieser Anomalie steht das Kleinhirn (Teil des Gehirns, der das Gleichgewicht steuert) durch die Öffnung des Hinterhauptknochens vor. Das vorstehende Kleinhirn kann Druck auf das Stammhirn oder das Rückenmark ausüben. Bei den Kindern kann sich ein Hydrozephalus (Wasserkopf) entwickeln.

Eine Syringomyelie tritt auf, wenn der normalerweise kleine, mit Flüssigkeit gefüllte zentrale Kanal im Rückenmark sich weitet und mit einer größeren Flüssigkeitsmenge füllt. Eine Syringomyelie kann bei Spina bifida oder bei Chiari-Malformationen auftreten.

Ursachen von Neuralrohrdefekten

Es gibt viele Ursachen für Neuralrohrdefekte.

Ein Mangel an einem Vitamin B, der Folsäure, während der Schwangerschaft ist ein wichtiger Faktor.

Genetische Faktoren und die Einnahme bestimmter Medikamente während der Schwangerschaft (wie Valproinsäure) können die Wahrscheinlichkeit für Neuralrohrdefekte erhöhen. Der Defekt entwickelt sich häufig schon, bevor die Mutter weiß, dass sie schwanger ist.

Symptome von Neuralrohrdefekten

Viele Kinder mit kleinen Neuralrohrdefekten haben keinerlei Symptome.

Die meisten Symptome von Neuralrohrdefekten werden durch Schädigung des Gehirns oder Rückenmarks verursacht.

Ein Neuralrohrdefekt kann das Hirn schädigen, unter anderem durch Wasseransammlung im Gehirn (Hydrozephalus), Lernstörungen und Schluckbeschwerden.

Rückenmarksschäden können schwere Probleme verursachen, meistens in Bezug auf den Darm, die Blase und Beine. Zu diesen Problemen gehört jedoch Folgendes:

Andere Probleme, wie Klumpfuß, Arthrogryposis (Gelenke, gewöhnlich die Fußgelenke, versteifen sich und lassen sich nicht mehr abbiegen), eine luxierte Hüfte oder eine abnorm geborgene Wirbelsäule, die einen Buckel verursacht (Kyphose), können auch bei Geburt vorliegen. Bei manchen Kindern kann sich später eine Skoliose ausbilden.

Diagnose von Neuralrohrdefekten

  • Vor der Geburt: Blutuntersuchungen oder Amniozentese zur Messung der Alphafetoproteinwerte sowie pränatale Ultraschalluntersuchung

  • Nach der Geburt: körperliche Untersuchung und gelegentlich bildgebende Untersuchungen

Viele Neuralrohrdefekte können vor der Geburt mit pränatalen Screening-Tests entdeckt werden.

Ein hoher Alphafetoprotein-Spiegel im Blut der schwangeren Mutter oder im Fruchtwasser kann auf einen Neuralrohrdefekt beim Fötus hinweisen. Daher werden im zweiten Trimester Bluttests oder eine Amniozentese (Probennahme des Fruchtwassers im Mutterleib) durchgeführt, um diese Werte zu messen.

Bei einer pränatalen Ultraschalluntersuchung kann der Defekt oder charakteristische Anomalien erkannt werden.

Nach der Geburt sind einige Defekte bei der körperlichen Untersuchung offensichtlich. Haben Neugeborene Anomalien, die auf eine okkulte spinale Dysraphie hinweisen, wird mittels Ultraschall oder Magnetresonanztomografie (MRT) auf Defekte der Wirbelsäule überprüft. Röntgenaufnahmen der Wirbelsäule, der Hüften und manchmal der Beine werden gemacht.

Nach Diagnose der Spina bifida werden Tests zur Beurteilung der Blasenfunktion vorgenommen. Dazu gehören Urinanalyse, Urinkultur, Bluttests und ein Ultraschall.

Behandlung von Neuralrohrdefekten

  • Operation

Medizinische Fachkräfte, normalerweise ein Team aus Fachärzten (einschließlich einem Neurochirurgen, Urologen, Kinderarzt, einem pädiatrischen Reha-Spezialisten, orthopädischen Chirurgen, Physiotherapeuten, spezialisierten Krankenpfleger und Sozialarbeiter), beurteilen den Typ und die Schwere des Defekts und sprechen mit der Familie darüber, wie die Behandlung und Versorgung umgesetzt werden kann.

Ein Neuralrohrdefekt wird gewöhnlich operativ verschlossen. Bestimmte Defekte, wie eine Myelomeningozele, werden normalerweise bald nach der Geburt repariert. Der Shunt (ein Plastikröhrchen, das die Zerebrospinalflüssigkeit dauerhaft ableitet) kann zur Behandlung eines Hydrozephalus gesetzt werden.

Probleme mit der Blase, den Knochen oder Muskeln sowie andere Probleme werden nach Bedarf behandelt.

Prognose bei Neuralrohrdefekten

Die meisten Kinder erholen sich bei angemessener Versorgung gut.

Komplikationen, wie der Verlust der Nierenfunktion und Probleme mit für die Behandlung des Hydrozephalus benötigten Shunts, können jedoch auftreten und manchmal bei älteren Kindern zum Tod führen.

Vorbeugung vor Neuralrohrdefekten

  • Folsäure

Die Einnahme von Folsäure verringert das Risiko von Neuralrohrdefekten.

Alle gebärfähigen Frauen, die keinen Säugling mit Neuralrohrdefekt hatten, sollten 3 Monate vor einer Schwangerschaft mit der Einnahme von Folsäure (Folat) als Ergänzungsmittel beginnen und diese bis zum Ende des 3. Schwangerschaftsmonats einnehmen.

Bei Frauen, die bereits einen Säugling mit einem Neuralrohrdefekt hatten, besteht ein hohes Risiko für einen weiteren betroffenen Säugling und sie sollten daher ab 3 Monate vor dem Schwanger werden mit der Einnahme von hochdosierten Folsäurepräparaten beginnen und diese bis zum Ende der ersten 3 Schwangerschaftsmonate fortführen. Folsäurepräparate verhindern möglicherweise nicht alle Neuralrohrdefekte, können aber das Risiko für Neuralrohrdefekte erheblich reduzieren.

Wussten Sie ...

  • Die Einnahme von Folsäure vor und während der Schwangerschaft kann das Risiko für Neuralrohrdefekte senken.

Weitere Informationen

Die folgenden Quellen in englischer Sprache können nützlich sein. Bitte beachten Sie, dass das MANUAL nicht für den Inhalt dieser Quellen verantwortlich ist.

  1. Spina Bifida Association: Eine Organisation, die Unterstützung, Aufklärung und Forschungsdaten sowie Informationen darüber bereitstellt, wie man mit jemandem zusammenlebt oder jemanden versorgt, der Spina bifida hat

  2. March of Dimes: Eine Organisation für Schwangere und Babys, die Unterstützung und Informationen darüber bietet, wie Gesundheitsrisiken der Mutter, Frühgeburten und Todesfälle von Mutter und Kind verhindert werden können