Wie Empfindung zu beurteilen ist

VonGeorge Newman, MD, PhD, Albert Einstein Medical Center
Überprüft/überarbeitet Aug. 2023
Aussicht hier klicken.

    Ähnlich wie bei der motorischen Untersuchung geht es bei der sensorischen Untersuchung darum, Funktionsstörungen zu lokalisieren und festzustellen, ob das Problem in der Großhirnrinde, im Thalamus, in den sensorischen Bahnen im Gehirn oder Rückenmark oder in den peripheren Nerven liegt.

    Für die Lokalisierung sind die nützlichsten Elemente der Untersuchung Tests für Schmerz- und Temperaturempfindungen, die durch den spinothalamischen Trakt übertragen werden, und Positions- und Vibrationsempfindungen, die durch die dorsale Säule über die mediale Lemniskusbahn übertragen werden.

    Der Tastsinn kann getestet werden, um Anomalien festzustellen, ist aber nicht für die Lokalisierung geeignet, die eine detailliertere Untersuchung anderer Arten von Empfindungen in verschiedenen Bereichen des Körpers erfordert.

    Um die Fähigkeit, ein scharfes Objekt zu fühlen, zu testen, erfolgt die beste Screeninguntersuchung mit einem spitzen Wegwerfgegenstand oder einem anderen scharfen Objekt auf der Gesichtshaut, Rumpf und allen 4 Extremitäten. Der Patient wird gefragt, ob sich die Stiche auf beiden Seiten gleich anfühlen und ob das Gefühl stumpf oder spitz ist. Der scharfe Gegenstand wird nach Gebrauch verworfen, um eine eventuelle Infektion mit über das Blut übertragbaren Krankheiten (z. B. HIV-Infektion, Hepatitis) zu vermeiden.

    Die kortikale sensorische Funktion wird überprüft, indem der Patient aufgefordert wird, ein vertrautes Objekt (z. B. Münze, Schlüssel), das auf seine Handfläche gelegt wird (Stereognosis), und Ziffern, die auf seine Handfläche geschrieben werden (Graphästhesie), zu identifizieren sowie einen und zwei eng nebeneinander platzierte simlultane Nadelstiche in die Fingerkuppen zu unterscheiden (Zweipunkt-Diskriminierung).

    Ein weiterer Indikator für eine beeinträchtigte kortikale sensorische Funktion ist die Extinktion, d. h. die Unfähigkeit, einen Reiz auf einer Seite zu identifizieren, wenn beide Körperseiten gleichzeitig getestet werden (doppelte simultane Stimulation), bei einem Patienten, der den Reiz identifizieren kann, wenn jeweils eine Körperseite getestet wird. Wenn beispielsweise Extinktion vorhanden ist, berichten Patienten, dass sie nur auf einer Seite eine Empfindung spüren, auch wenn sie gleichzeitig auf beiden Seiten berührt werden, obwohl sie eine Empfindung auf beiden Seiten fühlen können, wenn eine Seite auf einmal getestet wird.

    Temperaturempfinden wird in der Regel mit einer kalten Stimmgabel getestet.

    Der Gelenklagesinn wird getestet, indem die Endphalangen der Finger und Zehen um einige Grad auf und ab bewegt werden. Kann der Patient diese winzigen Bewegungen mit geschlossenen Augen nicht erkennen, werden größere Auf- und Abbewegungen versucht, bevor das nächste weiter proximal gelegene Gelenk getestet wird (z. B. werden die Knöchel getestet, wenn die Zehenbewegung nicht wahrgenommen wird).

    Pseudoathetose bezieht sich auf unwillkürliche, windende, schlangenartige Bewegungen einer Extremität, die von einer starken Minderung des Lagesinns herrühren; die motorischen Bahnen, inkl. die der Basalganglien, sind erhalten. Das Gehirn kann die räumliche Position der Extremität nicht wahrnehmen, daher bewegt sich diese eigenständig, und der Patient muss die Bewegungen visuell kontrollieren. Mit geschlossenen Augen kann der Patient typischerweise die Extremität nicht im Raum lokalisieren.

    Die Unfähigkeit, mit geschlossenen Füßen und geschlossenen Augen zu stehen (Romberg-Versuch), zeigt einen gestörten Lagesinn betreffend die unteren Extremitäten. Bei Kleinhirnerkrankungen versucht der Patient so zu stehen, dass die Füße zwar auseinander, aber so nah wie möglich beieinander sind, um nicht zu fallen. Erst dann schließt er die Augen. Selten ist ein positives Ergebnis auf starken beidseitigen Ausfall der vestibulären Funktion zurückzuführen (z. B. Aminoglykosid-Toxizität).

    Um den Vibrationssinn zu testen, legt der Untersucher einen Finger unter das distale Interphalangealgelenk des Patienten und drückt eine leicht angeschlagene 128-Hz-Stimmgabel auf die Oberseite des Gelenks. Der Patient sollte das Ende der Vibrationen etwa zur selben Zeit wie der Untersucher wahrnehmen, der sie durch das Gelenk des Patienten fühlt.

    Leichte Berührung wird mit einem Wattestäbchen getestet.

    Wenn die Empfindung beeinträchtigt ist, lässt das anatomische Muster auf die Lokalisierung der Läsion schließen (siehe auch Abbildungen Sensorische Dermatome, Verteilung der kutanen Nerven: obere Extremität und Verteilung der kutanen Nerven: untere Extremität):

    • Strumpf-Handschuh-Verteilung: distale periphere Nerven

    • Verteilung nach Einzeldermatomen oder Nervenästen: Isolierte Nerven (Mononeuritis multiplex) oder Nervenwurzeln (Radikulopathie)

    • Flickenförmige Defizite von Sensorik, Motorik und Reflexen an einer Extremität: Arm- oder Beckenplexus.

    • Reduzierte Sensorik unterhalb eines bestimmten Dermatoms: Rückenmark

    • Sensorischer Ausfall im Reithosenbereich: Cauda equina

    • Überkreuztes Gesichts-Körper-Muster: Hirnstamm

    • Halbseitige sensorische Störung: Gehirn

    • An der Mittellinie ausgerichteter halbseitiger Sensibilitätsausfall: Thalamus oder funktionell (psychogen)

    Die Lokalisation der Läsion wird bestätigt, wenn die motorische Schwäche und Reflexveränderungen einem ähnlichen Muster folgen.

    (Siehe auch Einführung in die Neurologische Untersuchung.)

    Sensorische Dermatome

    Innervationsgebiete der Hautnerven: obere Extremität

    (Gezeichnet nach Anatomy, ed. 5, herausgegeben von R O'Rahilly. Philadelphia, WB Saunders Company, 1986; verwendet mit Genehmigung).

    Innervationsgebiete der Hautnerven: untere Extremität

    (Gezeichnet nach Anatomy, ed. 5, herausgegeben von R O'Rahilly. Philadelphia, WB Saunders Company, 1986; verwendet mit Genehmigung).